Freitag, 12. Oktober 2012

"Do it yourself" ist was für Maulfaule

Selbstbedienung, du angenehme Eigenschaft des kurzlebigen, ellenbogenausstreckenden, egozentrierenden, technologisierten 21. Jahrhunderts! Wie weiß ich heute zu schätzen, wie angenehm unumständlich es sein kann dich in Anspruch zu nehmen! Ich vermisse dich hier wirklich sehr!
Hier in Moskau setzt man noch auf den klassischen Kunden-Dienstleister-Kontakt, auch wenn dieser vielleicht nicht immer nötig wäre.


Ein Beispiel: Man steht in der Universität und muss schnell mal etwas ausdrucken. 

Situation in Deutschland: 
Ich zücke meine mit Geldscheinen gefütterte U-Card (mit der ich in Marburg nicht nur Bücher ausleihen und mein Essen in der Mensa bezahlen kann, sondern auch noch den nicht in ein Schnitzel mit Pommes investierten Restbetrag zum Kopieren benutzen darf), schiebe sie in einen Drucker in meiner näheren Umgebung und SCHWUBS! spuckt er im besten Falle das frisch geschwärzte Papier aus.

Situation in Moskau:
Ich stelle mich in die Schlange vor dem einzigen, aber dafür sehr kleinen Druck-/Kopier-/Scan-/Laminier-Büro und tue das, was man in Moskau so gerne tut: warten. Irgendwann ist man an der Reihe, um der freundlichen Hilfskraft hinter der Theke mitzuteilen, was man denn gerne hätte. Zum Glück ist das Vokabular hier sehr einprägsam: "Kopija"(Kopie), "skannierowat"(scannen), "laminierowat"(laminieren). 
Dann legt man der Aushilfe die entsprechende Anzahl an Münzen  auf den Tisch (für die angebotene Dienstleistung wird natürlich ein kleiner Aufschlag berechnet. So kostet eine Kopie umgerechnet 10cent, für ein gescanntes Blatt blättert man ganze 60cent hin) und schon hat man nach einer viertel Stunde ein frisch kopiertes Blatt in der Hand. 

Ich bin ja immer dafür neue Arbeitsplätze zu schaffen. Aber als Tochter einer Frau, die generell der Meinung ist, dass alles, was sie nicht selbst tut, sowieso nicht gut werden kann, löst es ein Gefühl der Anspannung in mir aus, wenn ich so eine einfache Tätigkeit, wie eine Kopie anzufertigen, sowie meinen USB-Stick voller wichtiger Daten aus der Hand geben muss.
Ich frage mich: Fehlt hier wirklich das Geld für die Geräte oder das Vertrauen in den gesunden Menschenverstand der hiesigen Studenten? Ist es vielleicht einfach die Macht der Gewohnheit, die einen nicht auf die Idee bringt, dass es viel zeitsparender wäre, wenn jeder Student seine Kopien selbst machen könnte?

Mein persönliches Highlight der Verstümmelung des Automatenkomforts ist aber immer noch der Fotofix-Schnellbildautomat in der Metro, der - ihr ahnt es schon - mit einer Dame besetzt ist, die den Kunden bei der Erstellung des perfekten biometrischen Fotos zur Seite steht. Einfach Münzen in einen Kasten zu werfen, in dem sich alles von selbst erklärt, und dann auf einen Knopf zu drücken, wäre des Geldes ja auch nicht wert. So kommt man wenigstens wieder ins Gespräch. Vier Fotos oder sechs? Hochglanz oder matt? (Für die matte Variante hat die nette Servicekraft vom Selbstbedienungsautomaten immer eine Flasche Haarlack dabei)

Vielleicht liegt das Problem aber auch an mir? Vielleicht sollte man sich ja in Deutschland ein Beispiel daran nehmen? Weniger Einzelkämpfer, mehr aufeinander angewiesen sein? Weniger schweigsames Nebeneinanderherleben, mehr Vertrauen ineinander? Denken wir mal drüber nach. 

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